Im Roma Community Center Tirana hatte ich die Möglichkeit, mit einer jungen Frau zu sprechen, die es geschafft hat aus dem Teufelskreis der absoluten Armut herauszukommen.
Als Kind einer Roma Community in Tirana wächst man in ärmlichen Verhältnissen auf, geht (wenn überhaupt) nur wenige Jahre in die Schule, wird schon als Kind verheiratet, bekommt dann viele Kinder und kümmert sich Zeit seines Lebens um das Wohlergehen der Familie. Frauen sind für den Haushalt zuständig, die Männer sind das Oberhaupt der Familie und gehen arbeiten.
A., eine junge Frau (18 Jahre alt), erzählte mir aus ihrem Leben und mich bewegte sehr, was ich da hörte. Die folgende Wiedergabe ihrer Geschichte enthält viele inhaltliche Lücken, da sie nur in einfachem, gebrochenem Deutsch sprach. Aber es lässt sich erahnen, was sie bereits alles erlebt hat:
"Ich bin in der Roma Community geboren. Aber alles ist schlecht da. Ich habe drei Brüder. Der jüngste ist sieben, der Mittlere 14 und der Älteste 15 Jahre alt. Aber ich bin ja schon groß!
Meine Mutter hat nie die Schule besucht, deshalb war sie auch nie arbeiten. Mein Vater hat wenige Jahre die Schule besucht. Er arbeitet gerade für drei Monate in Italien, dann kommt er wieder zurück.
Von der 1. bis zur 6. Klasse bin ich in Albanien zur Schule gegangen. 2015 bin ich nach Deutschland - Berlin - und habe dort meine 7. und 8. Klasse gemacht. Dort habe ich ein bisschen Deutsch gelernt. Deutschland ist gut, Albanien ist schlecht!
Danach bin ich nach Italien zu meiner Tante und habe dort meinen jetzigen Verlobten kennengelernt. Zwei Jahre bin ich nun schon mit ihm verlobt. Er ist mein Ein und Alles!
Mein Verlobter arbeitet in Rumänien. In zwei bis drei Tagen kommt er hier her und wir gehen gemeinsam nach Italien. Dort besitzen wir ein Haus, in dem wir gemeinsam wohnen werden. Mein Wunsch ist es, Friseurin zu werden aber ich weiß noch nicht was die Zukunft bringt.
Zurzeit muss ich mich erstmal darum kümmern, einen italienischen Pass zu bekommen, um in Italien bleiben zu können. Bald werden wir heiraten und ich suche gerade nach einem schönen, weißen Kleid - ich bin ja ein Mädchen! Ob meine Familie zu meiner Hochzeit kommt, ist ungewiss.
Hier in Albanien besuche ich meine Familie. Aber ich bin hier nur für kurze Zeit. Danach werde ich zurück nach Italien gehen. Ich begleite meine Mutti hier immer zum Community Center Tirana, denn allein geht meine Mutti nicht. Aber es ist wichtig, dass sie hier hingeht, denn hier lernt sie etwas: Lesen, Schreiben, Rechnen…
Die meisten in meinem Alter (in der Roma Community) sind bereits verheiratet und haben mehrere Kinder. Ich habe noch keine Kinder. Nein, nicht hier! Albanien ist schlecht! In Italien ist es besser - auch ein besseres Land, um Kinder zu bekommen.
Schau doch da: Der kleine Junge hat keine Schuhe. Ich schaue da immer weg, denn ich kann dieses Leid und diese Armut nicht mehr sehen (Als Kind hatte A. das selbst durchmachen müssen…)! Die Kinder haben keine Schuhe, weil einfach kein Geld da ist…
Besonders in der Roma Community gibt es sehr viele Kinder, aber das ist nicht gut! Sie haben keine Zukunft, keine Perspektive, kaum Bildung! Keine Schuhe! …
Und aus der Armut herauszukommen ist so gut wie unmöglich. Das Jahr 2017 hat mein Leben verändert. So durfte ich nicht nur die italienische Lebensweise kennenlernen, sondern auch meinen Verlobten.
Für mich heißt es jetzt aber erstmal einen italienischen Pass zu bekommen, nach Italien in unser Haus zu ziehen, zu heiraten und anzukommen. Und dann will ich viele Kinder bekommen!
Dann bin ich endlich raus - raus aus Albanien, raus aus der Roma Community!"
Die Geschichte von A. hat mich zum Nachdenken gebracht. Mir geht es so gut. UNS geht es so gut. Unsere Kinder haben ein Dach über den Kopf, lernen Lesen, Schreiben, Rechnen und müssen nicht barfuß durch die Straßen laufen. Lasst uns doch dankbar dafür sein!
Rebekka Schiller
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